In diesem Interview mit Martin Woelk klären wir, was jeder Poolbesitzer über die Poolchemie wissen sollte. Den dazugehörigen Leitartikel zur Wasserpflege im Schwimmbad finden Sie hier.
Herr Woelk, Sie sind quasi der Chemiedozent der Wellnessbranche. Welche Fragen werden Ihnen bei Vorträgen am häufigsten gestellt?
Zunächst vielen Dank für das Kompliment. Die mit Abstand am häufigsten gestellte Frage ist die nach der Bedeutung und Interpretation der differenzierten Chlorgehalte – freies, gebundenes und Gesamtchlor. Hinterfragt wird auch der Unterschied zwischen anorganischem und organischem Chlor unter Berücksichtigung der Trägersubstanz Cyanursäure als Stabilisator. Analytisch wünscht sich der private Pool- oder Spa-Besitzer die sinnbildliche „Eierlegende Wollmilchsau“. Ein Gerät, das man ins Wasser hält und das alles anzeigt. So einfach ist es dann doch leider nicht, wenn seriös gemessen werden soll. Allgemein ist der Wissensstand über die alternativen Möglichkeiten der Wasseraufbereitung in der Branche als heterogen zu bewerten. Durch intensive Seminar- und Beratungstätigkeit unter Einbeziehung diverser Institutionen, wie zum Beispiel den Bundesverband Schwimmbad & Wellness (bsw), der technische Schulungen anbietet, und dem TÜV Rheinland, der zum TÜV-zertifizierten Schwimmbadbauer ausbildet, gelingt es zunehmend, das Know- how auf ein hohes Niveau zu heben. Grundsätzlich arbeiten wir mit einem Netzwerk von Verbänden im deutschsprachigen Bereich zusammen, um die Fort- und Weiterbildung von Schwimmbadbauern sowie -händlern voranzutreiben.
Gibt es klassische Stereotypen über die Wasseraufbereitung, die wenig mit chemischen Fakten zu tun haben?
Klassische Stereotypen, Halbwahrheiten und Mythen, die wenig oder gar nichts mit der etablierten und nachweislich funktionierenden Wasseraufbereitung zu tun haben, gibt es leider reichlich. Beispielhaft ist der werbliche Slogan „Salz statt Chlor“. Hier wird dem Verbraucher eine Alternative zur Chlorung suggeriert. Tatsächlich wird eine Salzlösung verwendet, bei der vor Ort (in situ) neben anderen Reaktionsprodukten Chlor erzeugt wird. Daneben gibt es eine Vielzahl von sogenannten Zusatzaufbereitungsmitteln, bei denen laut Aussage der Hersteller auf das Überprüfen von Wasserwerten verzichtet werden kann (hier ist immer Vorsicht geboten!) oder die eher im esoterischen Bereich angesiedelt sind. Da die Wasseraufbereitung im privaten Bereich in der Eigenverantwortung des Pool- und Spa-Besitzers liegt, ist die angebotene Palette an Wasserpflegemitteln vielfältig und meines Erachtens nicht immer seriös. Die Empfehlung geht daher ganz klar in die Richtung, nur Aufbereitungsverfahren einzusetzen, die auch analytisch nachweisbar sind. Schließlich geht es um die Gesundheit der Badenden!
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Kommen wir zu den Grundlagen der Wasseraufbereitung. Warum kann man ein Schwimmbecken eigentlich nicht mit einer Badewanne vergleichen?
Eine interessante Frage. Theoretisch ist ein Vergleich möglich, nur wäre eine solche Vorgehensweise mit einer enormen Verschwendung von Wasser verbunden. Die Badewanne wird mit ja Leitungswasser gefüllt, das üblicherweise Trinkwasserqualität hat. Der Inhalt ist in der Regel zum einmaligen Gebrauch bestimmt und das abgebadete Wasser wird anschließend abgelassen. In einem Schwimmbad hat das Füllwasser grundsätzlich ebenfalls Trinkwasserqualität. Allerdings haben wir es mit ganz anderen Volumina zu tun. Der Wasseraustausch in kurzen Zyklen wäre viel zu teuer und zu energieaufwendig (Stichwort: Erwärmung). Man kann also davon ausgehen, dass der Inhalt eines Beckens im Freibad über den Zeitraum einer Saison und im Hallenbad auch länger genutzt wird. Allerdings sollte ein Pool niemals als ein in sich geschlossener Kreislauf betrachtet werden, sondern als ein offenes System. Was ist damit gemeint? Zunächst einmal ist eine gleichmäßige Beckendurchströmung wichtig, damit das aufbereitete Wasser überall hingelangt. Für die Wasserkonditionierung sind die pH-WerteinsteIlung, das Desinfektionsmittel sowie Flockungsmittel und im Freibad ein Algizid notwendig. Was häufig vernachlässigt wird, ist der Frischwasserzusatz. Empfehlenswert sind je nach Besucherbelastung bis zu ca. 30 Liter pro Badegast und Tag, denn wenn dies nicht berücksichtigt wird, kommt es zwangsläufig zu einer Anreicherung von Salzen, die das Wohlbefinden der Badenden beeinträchtigen können und/oder, was zu baulichen Schäden führt. Durch die regelmäßige Rückspülung des Filters, die nicht vernachlässigt werden sollte, entsteht sowieso automatisch ein Wasserverlust, der durch frisches Füllwasser ergänzt wird. Hierdurch entsteht ein Verdünnungseffekt.
Bevor man das Wasser desinfiziert, muss man zuerst einzelne Werte ermitteln, die Näheres über den Zustand des Wassers verraten. Welche Hygieneparamater sind für den Bauherrn relevant und wie werden diese gemessen?
Also man muss aus dem Bauherrn keinen Chemiker machen. Das A & O ist die richtige pH-Werteinstellung. Empfohlen wird, entsprechend dem Entwurf der Europäischen Norm EN16713-3 ein Bereich zwischen pH 6,8 und 7,6. Wichtig ist darüber hinaus die Alkalinität-M und die Calciumhärte des Füllwassers. Zu geringe Werte führen bei Alkalinität-M (früher Karbonathärte) zu starken pH-Wertschwankungen und bei der Calciumhärte zu baulichen Schäden an Beton und Fugen. Sollte das Füllwasser nicht aus dem Trinkwassernetz stammen, sondern zum Beispiel aus einem Brunnen, sind folgende Inhaltsstoffe von Interesse: Eisen und Mangan werden in Anwesenheit von Chlor ausgefällt und bilden ein braun-graues Sediment. Kupfer führt zu Ablagerungen an den Wänden. Phosphate fördern das Algenwachstum. Zum analytischen Nachweis gibt es im Handel titrimetrische und colorimetrische Testmethoden mit ausreichender Nachweisgenauigkeit.
Woher kommen denn überhaupt die Verschmutzungen im Wasser und kann man hier durch richtiges Verhalten den Verschmutzungsgrad prophylaktisch reduzieren?
Beginnen wir mit dem Bakterienzoo Mensch. Auf der Hautoberfläche befinden sich bis zu ca. 10 Milliarden Keime. Die meisten davon sind für den menschlichen Organismus ungefährlich oder sogar nützlich. Es verbleiben aber ausreichend pathogene Keime, die ein potenzielles Gesundheitsrisiko darstellen in Abhängigkeit von der Häufigkeit. Die prophylaktische Reduzierung ist einfach – durch Hygiene! Durch gründliches Duschen vor dem Besuch des Pools oder Spas können bis zu ca. 90% der Keime von der Hautoberfläche entfernt werden. Im Freibad kommen noch andere organische Belastungsstoffe dazu, wie Vogelkot, Blätter, Insekten, Staub etc. Hier hilft eine Poolabdeckung, die außerdem noch den Wärmeverlust und die Verdunstung minimiert, wenn der Pool nicht genutzt wird.
Was bedeutet eigentlich die Aussage, dass das Wasser umgekippt ist?
Der Begriff umgekipptes Wasser ist ein Sammelbegriff und kann unterschiedliche Bedeutung haben. Da wären die bereits erwähnten Inhaltsstoffe Eisen und Mangan des Füllwassers, die zu Ausfällungen führen. Trübes Wasser, hervorgerufen durch unzureichende Filterleistung, das nicht Vorhandensein von Flockungsmitteln oder Kalkausfällungen. Die häufigste Ursache ist wahrscheinlich Algenbildung, oft verursacht oder beschleunigt durch schwüle Witterung und nach Gewitterregen. Da hilft im ersten Schritt bei korrekt eingestelltem pH-Wert eine Stoßchlorung bis zu 5 mg/l und der Einsatz eines Algizids. Es kann allerdings einige Tage dauern, bis das Wasser wieder klar wird. Eine weitere mögliche Ursache ist die starke Anreicherung der Trägersubstanz Cyanursäure bei Verwendung von organischem Chlor. Hier hilft nur der teilweise Austausch des Beckenwassers gegen Frischwasser.
Welche gesundheitserregenden Keime können sich eigentlich im verschmutzen Wasser herausbilden?
Die Art und Anzahl gesundheitsgefährdender (pathogener) Keime ist vielfältig und in der Gesamtheit kaum überschaubar. Daher beschränkt man sich auf die Bestimmung sogenannter Leitkeime, anhand derer man Rückschlüsse auf die Art der mikrobiologischen Belastung des Wassers schließen kann. Escherichia coli (E.coli) ist ein typischer Vertreter von fäkalen Verunreinigungen. Pseudomonas aeruginosa verursacht Haut-, Außenohr- und Harnwegsinfektionen. Das Vorhandensein lässt Rückschlüsse auf mangelnde Hygiene und Desinfektion zu. Legionella spec. sind Bakterien, die, wenn sie über die Atemwege in die Lunge gelangen, das Pontiakfieber und die Legionärskrankheit auslösen können. Die koloniebildende Einheit (KBE) ist ein Indikator für die Gesamtkeimzahl der sich im Wasser befindlichen Mikroorganismen. Der seriöse Nachweis dieser Spezien ist nur unter Laborbedingungen möglich.
Chlor ist wahrscheinlich das bekannteste Mittel zur Desinfektion des Wassers. Welche Substanzen können bei der chemischen Wasseraufbereitung noch zum Einsatz kommen?
Chlor ist nicht nur das bekannteste, sondern aufgrund seiner Eigenschaften das mit Abstand am häufigsten verwendete Desinfektions- und Oxidationsmittel. In öffentlichen Bädern kommt es ausschließlich zum Einsatz und dafür gibt es gute Gründe. Alternativen, zum Beispiel bei einer Chlorallergie, stellen Brom, Aktivsauerstoff, Wasserstoffperoxid, Ozon (nur in der Aufbereitungsstrecke), Biguanide, Kupfer, Silber und das UV-Licht (in Kombination mit einem anderen Verfahren) dar. Bei dieser Auflistung handelt es sich um die gängigsten Methoden ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Gehen wir den Prozess der chemischen Wasserpflege am Beispiel Chlor durch. Was sind die einzelnen Schritte, die man vornehmen muss?
Dazu muss man die verschiedenen Chlor Darreichungsformen in Betracht ziehen. Gängig ist die Chlorbleichlauge (Natriumhypochlorit), die vorzugsweise mit einer Dosierlanze dem Wasserkreislauf zugeführt wird. Alternativ empfiehlt sich Trockenchlor (Calziumhypochlorit) in Form von Granulat, verpressten Tabletten oder Pellets in Verbindung mit einer speziellen Dosieranlage. In den letzten Jahren zunehmend populär geworden ist das Salz-Elektrolysesystem, bei dem aus einer salzhaltigen Lösung Chlor vor Ort gewonnen wird. Handhabungsfreundlich für den Verbraucher sind organische, stabilisierte Chlorprodukte, meist als verpresste Tabletten in schnell oder langsam löslicher Form, die man in den Skimmer oder einen schwimmfähigen Dosierer gibt. Grundsätzlich gilt, immer den Anwendungshinweisen des Herstellers zu folgen. Auch wenn man von Wasserpflegemitteln spricht – es handelt sich um chemische Produkte!
Welche technischen Möglichkeiten gibt es, damit die chemische Wasseraufbereitung automatisch vorgenommen wird?
In den letzten Jahren ist die Anzahl der Anbieter von Mess-, Regel- und Dosieranlagen stark gestiegen und das Preis-Leistungs-Verhältnis hat sich zugunsten des Verbrauchers verbessert. Grundsätzlich erleichtern die Anlagen durch die automatische Dosierung die Wasseraufbereitung erheblich. Die meisten Anlagen basieren auf der elektrochemischen Erfassung der Hygienehilfsparameter Redox Potenzial und pH-Wert, mittels Elektroden. In Abhängigkeit von der Belastung des Wassers, in erster Linie verursacht durch die Anzahl der Benutzer, wird Chlor und ein pH-Wert regulierendes Mittel (pH-Wert Heber oder Senker) in der richtigen Menge dosiert. Die Anlagen arbeiten aber nicht dauerhaft wartungsfrei, da die Elektroden einer natürlichen Alterung unterliegen und eine begrenzte Lebensdauer haben. Es ist daher ratsam, den Benutzer gründlich in die Handhabung hinsichtlich der Kalibrierung und Wartung einzuweisen oder alternativ einen Servicevertrag abzuschließen.
Fehlverhalten bei der chemischen Wasseraufbereitung kann zur Entstehung gefährlicher Stoffe führen. Was muss man als privater Poolbesitzer unbedingt beachten?
Unabhängig von der Art der Wasseraufbereitung muss die Anreicherung von Inhaltsstoffen vermieden werden. Dies geschieht durch regelmäßige Filterrückspülung und Ersatz durch Füllwasser, vorzugsweise in Trinkwasserqualität. Wird dieser Umstand nicht beachtet, kommt es zwangsläufig zu kumulierten Nebenreaktionsprodukten, wie zum Beispiel Trihalogenmethane (THM), Adsorbierbare Organisch gebundene Halogene (AOX), Bromat, Chlorit und Chlorat, die in höheren Konzentrationen gesundheitlich bedenklich sind. Salzanreicherungen, wie Chloride und Sulfate greifen unter Umständen in höheren Konzentrationen die Bausubstanz an. Daher abschließend meine Empfehlung, nur so viel Wasserpflegemittel wie notwendig gemäß den Vorgaben der Hersteller zu verwenden und ausschließlich Produkte einsetzen, die sich mit einem Wasseruntersuchungsgerät analytisch nachweisen lassen nach dem Motto Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser. In diesem Sinn wünsche ich allen Pool- und Spa-Nutzern eine lange und sonnige Saison 2016.