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Schlafen wie ein Schneekönig

Eingebettet in die tief verschneite Wildnis in Finnisch Lappland liegt das „Arctic Snowhotel“. Meterdick ist der Schnee auf dem Dach und lässt die frostige Herberge mit der Winterlandschaft am Polarkreis verschmelzen. Links und rechts des gotischen Tores zum Eispalast brennen zwei Fackeln.  Wir haben im Zelt in den Bergen übernachtet und auch schon in der Wildnis unterm Sternenhimmel genächtigt, aber noch nie haben wir unser Lager unter dicken Eismauern aufgeschlagen. Die Nacht im Eishotel ist für uns Höhepunkt und Abschluss unserer Lappland-Winterreise.

Neben dem Eingang des Rieseniglus, an einer Fichte angebunden, steht ein weißes Rentier. Neugierig begutachtet es die Besucher, die an diesem Nachmittag zum eiskalten Träumen anreisen und lässt sich geduldig von ein paar Kindern streicheln. Zum Einchecken führt der Weg aber erst einmal zur Rezeption. Diese befindet sich nicht hinter den dicken Eiswänden,  sondern in einem warmen gemütlichen Blockhaus nebenan.

Blaue LED-Lampen beleuchten die dunklen Eiskorridore im Inneren des Hotels,  denn Fenster gibt es keine in den meterdicken Schneemauern. Ein kleines Labyrinth von Gängen führt zu den einzelnen Zimmern. Wir haben die Wahl zwischen einem einfachen Eiszimmer oder einer der acht Eissuiten.  Jede der exklusiven Eishöhlen ist individuell gestaltet. Rosen und Herzen, Fische und Seepferdchen aus glänzendem Eis schmücken die Schneewände. Und im Halbdunkeln leuchten die Eisskulpturen rot, blau und grün. Einziges Möbelstück ein Bett. Der Holzrahmen thront auf riesigen Eisquadern. Statt Matratze liegen ein Duzend Rentierfelle auf dem eisigen Nachtlager. Statt Decke bekommen wir zwei Schlafsäcke: einen kuscheligen aus Fleece für innen und einen extra dicken Thermoschlafsack darüber.
Seit fünf Jahren treffen sich Ende Oktober Handwerker, internationale Künstler und Kunststudenten aus Lappland auf der Lichtung im Örtchen Sinetta nahe Rovaniemi. Sie pumpen Wasser aus dem Lehtojärvi-See, pressen es zu Blocks, bauen Eiswände  und Eissäulen, gestalten Skulpturen und erschaffen in wenigen Wochen eine Design-Herberge für eine coole Nacht in Schnee und Eis. Im Hotel gibt es außer den Schlafzimmern ein Eisrestaurant, eine Eisbar und sogar eine Kapelle, in der Brautpaare getraut werden können. Aber nur wenige Honeymooner  verbringen auch wirklich die Hochzeitsnacht in der Eisherberge.

Die meisten Gäste reisen schon am Nachmittag an, um sich mit verschiedenen finnischen Wintervergnügen auf das Abenteuer einzustimmen. Zum Beispiel bei einer Schneeschuhwanderung durch den dichten Wald, beim Eisangeln auf dem See oder einem Saunabesuch. Denn auch im Schnee-hotel gibt es einen Wellnessbereich. Und die Finnen als Sauna­spezialisten haben sich hier etwas ganz Besonderes ausgedacht: Die Künstler aus Lappland haben sich nicht nur beim Bau des Hotels ausgetobt, sondern auch gleich noch eine Sauna aus Schnee und Eis gebaut. Statt traditionell,  in der typischen Blockhaussauna, läuft hier zwischen Eismauern der Schweiß. Klingt fantastisch – ist es auch!
Durch eine kleine Holztür und dann ein paar Schneestufen hinauf gelangen wir in den höhlenartigen Saunaraum. Außer dem kleinen Ofen, der in einer Mulde steht, sind auch hier Wände, Decken und sogar die beiden Sitzbänke aus Eis.  Einziges Zugeständnis sind zwei Holzbretter, damit der warme Körper nicht am Eis festfriert.
Die Sauna-enthusiastischen Finnen sind überzeugt davon,  dass die Eissauna auf ganz besondere Weise Körper und Seele reinigt. Der Blick allerdings wird hier schnell getrübt: Sobald wir eine Kelle Wasser über den heißen Ofen gießen, füllt sich der Raum in Sekunden mit dichten Dampfwolken, und die Sicht reduziert sich auf null. Ein beeindruckendes Erlebnis, ein wunderbares Gefühl, aber bestimmt nichts für Klaustrophobiker. Während wir überlegen, ob wir im „White out“ bei Bedarf überhaupt den Ausgang finden würden, fallen die ersten kalten Tropfen. Unter dem heißen Dampf beginnt die Saunadecke sich in ihre Moleküle aufzulösen. Eisregen auf warmer Haut – fantastisch!


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Die exzessive Reinigung von Körper und Seele macht natürlich hungrig. Wir haben zum Essen die Wahl zwischen dem Restaurant im Eishotel, wo echte Kältefreaks bei Null Grad ihr Rentiergulasch essen – natürlich auf Bänken und an Tischen aus Eis, oder aber einem kuscheligen Abendessen am Kamin in der Holzhütte am See. Da wir lieber ohne Handschuhe und Mütze speisen möchten, entscheiden wir uns für die gemütliche Variante.
Beim Öffnen der schweren Holztür schlägt uns gleich die Wärme entgegen. Vor dem offenen Feuer brutzelt  frischer Lachs. Mit uns sitzen ein Dutzend anderer Gäste an den Holztischen und genießen ihre letzte Wärmeeinheit, bis es nach duftendem Apple-Crumble und heißem Kaffee zum Schlummertrunk ins Eishotel geht.  An der Eisbar steht schon eine Gruppe Männer und Frauen in bunten Schneeanzügen und trinkt blau leuchtenden Likör aus massiven Eisgläsern. Der perfekte Digestif nach dem leckeren Lachs. Und der Drink sieht nicht nur schön aus, sondern wärmt auch kräftig von innen. Aber trotz Hochprozentigem lädt die Bar nicht zum langen Verweilen ein. Und schon bald ziehen wir uns in unser eisiges Zimmer zurück.
In Thermounterwäsche und Fleecepulli schlüpfen wir in die Schlafsäcke und mummeln uns bis zur  Nasenspitze ein. Tausend Sterne funkeln in der tiefschwarzen arktischen Nacht. Dazwischen tanzen grüne und violette Streifen am Himmel. Aber weder Sterne noch Nordlicht sind in dem stockfinsteren Raum zu sehen. Eine fensterlose Eismauer schützt vor der Kälte und hält den Schlafraum auf null Grad. Beinahe kuschelige Temperaturen bei klirrender Kälte von Minus 25 Grad vor der Tür. Wie Schneekönig und Eisprinzessin schlafen wir tief und fest in unserer Eishöhle. Nur manchmal rieseln ein paar Eiskristalle auf unsere Nasen und in unsere Träume. Bis wir um sieben Uhr am Morgen mit heißem Cranberrysaft am Bett geweckt werden. Kurze Zeit später gehen wir zum Frühstück in der warmen Lodge. Bei Rührei und heißem Kaffee kehren wir in die Welt zurück, während draußen noch immer die Dämmerung die frostige Herberge im finnischen Wald umhüllt. Am Polarkreis lässt die Sonne im Winter lange auf sich warten.
Irgendwann Ende April beginnt dann die Rose zu tropfen, die Schnapsgläser laufen davon und das Bett gerät auf den schmelzenden Eisquadern in Schieflage. Zum Saisonende schließt das Hotel nicht seine Türen, es fließt einfach davon. Es ist ein Traum, der sich in Wasser auflöst.

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